Restaurierung

Restaurierung ist kein genau definierter Begriff – Es wird dabei versucht, einen früheren Zustand wiederherzustellen

Aber welchen Zustand ?

Den Werksauslieferungszustand? Mit der Wiederherstellung aller Schlampereien der Produktion ?- oder doch mit Verbesserungen? Mit möglichst vielen Neuteilen – oder nur mit Teilen, die exakt so alt sind wie das Restaurationsobjekt?

Oder den Zustand mit einigen Spuren des langen erlebnisreichen Autolebens konservieren?

Soll das Ergebnis nachher möglichst perfekt dem Zielzustand entsprechen – oder möglichst zuverlässig zu fahren sein?

Man sieht, das Ziel kann schon sehr verschieden sein – der Weg dorthin kann sich nochmals sehr stark unterscheiden.

Hier beschreibe ich eine Vorgehensweise, wie man einen heruntergekommenen R4 in ein zuverlässig zu fahrendes und auch optisch ansprechendes Liebhaberstück verwandelt – ohne aufwendige Umwege zu gehen, die am Ergebnis ( fast ) nichts verbessern.

Das Restaurationsobjekt ist meißt einer der wenigen Überlebenden

das Leben der meißten der 8,126 Millionen R4 verlief folgendermaßen: Er wurde beim Händler vom Hof weg gekauft, ohne auf Sonderausstattung zu warten. Er wurde für jede Fahrt bei jedem Wetter herangenommen – auch bei den seinerzeit heftig gesalzenen Straßen im Winter. In salzigen Gegenden waren daher zum ersten TÜV schon neue Bodenbleche fällig. Geschweißt wurde für jeden folgenden TÜV -Termin. Zwischendurch ging er häufig durch einige Hände bis häufig vor dem 10 Geburtstag sich keine Möglichkeit mehr fand, wo man die Blechflicken noch hätte anschweissen können und der R4 wanderte, einwandfrei fahrbereit aber durchgerostet, auf den Schrott – und man nahm den Nächsten.

Die bis heute erhaltenen R4 haben irgendwie ausnahmsweise einen glücklicheren Verlauf ihres „Lebens“ gehabt oder wurde von Ihren Besitzeren durch die Zeit gerettet. Daher Breche ich eine Lanze für all die Behelfsreparaturen an wertlosen Uralt-Gebrauchtwagen über die die Perfektionisten gerne die Nase rümpfen – ohne diesen „Pfusch“ wären die diese Autos schon lange eingeschmolzen. ( Die Perfektionisten hätten sie längst weggegeben ).

Siehe auch Separates Kapitel: „Mein Vorbesitzer war ein Pfuscher“

Total zerlegen oder abschnittsweise arbeiten?

Über die Jahre kann sich ein Reparaturstau ansammeln, der eine etwas umfassendere Sanierung erforderlich macht.

Viele beginnen die Arbeiten mit der Idee, die damalige Montage zu Wiederholen. Dazu muss zuerst das Auto bis auf die nackte Karosserie zerlegt werden. Das geht auch recht flott, was die Motivation steigert. Leider treten dann häufig irgendwann größere Aufgaben auf, die den Zerleger überfordern – die Teile werden unsachgemäß gelagert , evtl. verloren und am Ende bleibt eine Ruine zurück.

Andere machen sich erstmal an Arbeiten, die sie kennen oder sich zutrauen – und scheiteren dann an den schwierigen aber entscheidenden Stellen, wobei wieder eine Ruine zurückbleibt, in die aber schon einiges an Investitionen geflossen ist.

Sinnvoll ist daher zuerst eine umfassende Bestandsaufnahme der erforderlichen Arbeiten und Bewertung, wer diese machen wird. Stehen benötigte Ersatzteile und Fremdarbeiten in einem akzeptablen Verhältnis zum Wert des Fahrzeugs am Ende? ( Allein eine externe Lackierung ist hierzulande mit 4000 – 6000€ zu kalkulieren. )

Blecharbeiten

Wenn man das Ergebnis der Bestandsaufnahme akzeptieren kann, macht es Sinn sich zuerst an die Rost- und Unfallschäden der Struktur zu machen und dazu erstmal so wenig wie möglich zu zerlegen. Diese Vorgehensweise bietet sich auch aus dem Grunde an, da bei den Blecharbeiten meißt wenig Teile und Material benötigt werden – sondern zuerst mal nur viele Arbeitsstunden. – welche leichter zu verschmerzen sind, wenn man es dann doch nicht fertigstellen kann.

Nachdem erfahrungsgemäß das mit viel Aufwand restaurierte Schmuckstück anschließen nicht mehr im harten Alltag mit Winterbetrieb eingesetzt wird, ist eine Suche nach dem letzten Rostansatz nicht zwingend erforderlich, denn der Rost macht in der trockenen Garage kaum weiter. Auch wird man in der zerklüfteten Strunktur sowieso nicht überall in jeden Spalt und Hohlraum hineinkommen. Somit macht es eher Sinn diesen Schritt als Reparatur der bereits beschädigten Partien zu begreifen.

Muss das Fahrgestell von der Karosserie getrennt werden? Wenn nicht eines der beiden Teile gewechselt werden soll, ist das nicht zwingend erforderlich um gute Ergebnise zu erzielen. Man kann fast alles auch zusammengebaut instandsetzen ( siehe unten ) und vermeidet allerlei Beschädigungen und Verzug der losen Teile. Ausser bei sehr schlechten R4 findet sich kaum eine Roststelle zwischen Aufbau und Fahrgestell. Aber vor allem, wenn größere Partien ersetzt werden müssen stabilisieren sich Häuschen und Fahrgestell gegenseitig und man vermeidet Verzug. Für manche Instandsetzungen wie die Hinterachsaufnahmen ist es sowieso am sichersten, der R4 steht auf den Rädern. Auch ist der Platzbedarf in der Werkstatt geringer, wenn der Ausbau draufbleibt. Wenn alle verschraubten Karosserieteile ausgebaut sind, ist auch alles für die Instandsetzung immer noch viel besser zugänglich, als bei den meißten anderen Autos.

Ab 1984 hat Renault die R4 auch zuerst Fahrgestell und Häuschen und allen anderen verschraubten Karosserieteilen verschraubt, und dann lackiert und danach erst alles eingebaut. – ganz so umständlich würde ich es mir allerdings nicht machen ( siehe unten bei Lackieren )

Wenn die Struktur saniert ist, sollte man sich bei manchen Oldtimern an die kniffligen Komponenten machen – der R4 hat hier wenige Überraschungen auf Lager 🙂

Um sich zwischendurch auch kleine Erfolgserlebnisse zu bescheren, macht es Sinn Abschnittsweise zu arbeiten und den R4 dazwischen immer wieder roll oder noch besser fahrbereit zu bekommen.

Motor und Getriebe

Bei der Motorinstandsetzung ist es eigentlich nie erforderlich, die Kurbel- und die Nockenwelle auszubauen. In vielen Fällen reicht es, den Zylinderkopf abzunehmen, die Ventile zu reinigen und ggf die Dichtfläche planen zu lassen. Ist der Kopf abgenommen , kann man prüfen, ob sich um die Laufbuchsen Rostkrusten gebildet haben – in diesem Fall baut man besser die Laufbuchsen aus und reinigt den Wassermantelraum. Sinnvoll ist noch, nach dem Kettenspanner zu sehen und wenn man nichts über den vorherigen Ölverbrauch weiß: die Kolbenringe zu inspizieren. Beim C- Motor macht es Sinn, den Nockenwellensimmerung zu tauschen . ( Der B- Motor hat überhaupt keine Wellendichtringe )

Am Getriebe gibt es eigentlich wenig, was man an vorsorglich überarbeiten kann. Es macht daher nur Sinn es zu öffnen, wenn daran etwas kaputt ist.

Hat man Motor oder Getriebe ausgebaut, macht es Sinn eine neue Kupplung einzubauen – da für diese Arbeit der R4 später etwa wieder so weit zerlegt werden muß.

Achsen und Bremse

Die Gummiteile haben inzwischen ein Alter, in dem sie nacheinander versagen. Die Lenker der Achsen sind Rahmenseitig in Gummilagern geführt, die ersetzt werden sollten, wenn bei der Restaurierung freigelegt. Deswegen vorsorglich die Achsen zerlegen würde ich allerdings nicht – die Reparatur lässt sich auch später noch ausführen, wenn erforderlich.

Bei der Bremsanlage gibt es fast alles neu. Es macht Sinn, alles Zweifelhafte hier zu erneuern – des erforderliche Verständnis der Funktion und der Arbeiten vorausgesetzt !

Lackierung abschnittsweise

Bevor man sich an optische Arbeiten ( Aussenlackierung ) macht, sollte der Rest instandgesetzt, montiert und ausprobiert sein. Nichts ist ärgerlicher als bei der anschließenden Montage wieder die schöne neue Lackierung zu beschädigen. Man kann ja die nachher nicht mehr erreichbare Stellen vor der Wiedermontage bereits lackieren ( z.B. die Spritzwand hinter dem Motor ).

Die Gefahr ist Real: Selbst obwohl im Produktionswerk perfekt abgestimmt Transporteinrichtungen existieren und die Arbeitsabläufe dort hundertfach geübt sind, geht hier einiges zu Bruch. Es gibt dort ganze Abteilungen, die die Beschädigungen reparieren, welche die Kollegen bei der Produktion verursacht haben. In der heimischen Werkstatt sind die Chancen etwas zu Beschädigen noch um ein vielfaches höher.

Idealerweise baut man den R4 vor dem Lackieren so weit fertig zusammen, daß man zumindest auf Privatgrund ein paar Meter fahren kann. ( Besser: einige Monate auf der Straße ). Danach demontiert man die Kabel und andere Teile, die beim Lackieren stören und lackiert das Häuschen erstmal innen und in den Türfüllungen auf dem rollenden Fahrgestell. Die vorderen Innenkotflügel und Türen und Hauben innen ggf. separat.

Aus dem Grund der Beschädigungsvermeidung und auch um Farbabweichungen zu vermeiden bin ich ein Freund davon, die Außenseite erst mit montierten Türen und Hauben zu Lackieren. Lose lackierte Türen sehen oft anders aus als der Rest. Das finde ich störender als evtl. Farbnebel in den Spalten ( den man auch gut wegpolieren kann ).

Die Türdichtungen würde ich dazu abkleben – sowie ich dazu rate, die Türdichtungen nicht rauszureissen, sondern abzukleben und darumherum zu Lackieren. Die Meterware – Ersatztürdichtungen passen alle viel schlechter als die Originalformteile. Wenn Bereiche der Dichtung nicht rettbar sind, würde ich nur diesen Bereich ersetzen.

Was auch bei der Instandsetzung unerwartet anspruchsvoll ist: Die Blechrahmen der Schiebscheiben der Seitentüren sind filigran und nur wenige sind in der Lage diese wieder einzubauen. Vielfach wird dann am Ende auf die einfacher zu montierenden Plastikrahmen der späten R4 umgebaut. Deshalb auch hier: Besser drinlassen und drumherumlackieren.

Spachteln ist verpönt. Dabei ist es nicht so schwer, es richtig zu machen: Der Rost muß so gut es geht entfernt werden. Unter dem Spachtel sollte eine Epoxi-Gundierung. Dann tiefe Beulen mit Glasfaserspachtel füllen ( Nicht zu viel Härter und gut mischen ). Danach Füllspachtel ( Keine Billig-Spachtelmasse aus dem Zübehörhandel sondern Profiware vom Lackierer verwenden ). Ebene Flächen mit einem langen geraden und biegesteifen Brett mit Schleibpapier beklebt eben schleifen. Der Heimwerker braucht halt ein paar mehr Arbeitsgänge – bekommt es aber am Ende auch hin.

Lackieren erfordert Übung. Den Lack so aufzuspritzen, dass er glatt verläuft aber nicht in Tränen davon läuft, klappt nicht auf Anhieb. Was auch der weniger Geübte hinbekommt, ist Uni-Zweischichtlackieren: Die Farbe wird nur matt deckend aufgespritzt – also lange bevor es Tränen gibt. Der anschließende Klarlack macht den Glanz. Wenn man hier Orangenhaut oder Tränen verursacht, lassen sich diese leicht rausschleifen und rauspolieren.

Sitze und Innenraum,

Die Innenausstattung des R4 ist recht übersichtlich und im Grunde recht haltbar, weshalb man hier durchaus auch brauchbare gebrauchte Teile findet.

Das gilt leider nicht für die Sitze. Hier gehen Bezug, Schaumstoff und manchmal auch der Federunterbau und die Sitzschienen kaputt. Brauchbarer Ersatz ist selten geworden. Für die schmaleren Vordersitze ( erkennbar an dem 15cm Abstand in der Mitte ) gibt es neue Schaumstoffe und fertig genähte Bezüge ( in 100% Kunstleder oder in den Kunstleder -Stoffkombinationen ab 1983 ). Für vordere Sitzbänke und die breiteren Einzel-Sitze der frühen 70er gibt es das leider ( noch ) nicht. Für die „Gartenstühle mit Gummizugpolsterung“ gibt es leider auch keine Neuteile – hier ist selbst der Autosattler-Profi meißt überfordert mit dem Vernähen von Gummi so das es nicht sofort wieder reisst.


….Hier eine Beispiel für eine „behutsame Restaurierung“ damals schon in den 1990ern auf Basis der Erkenntnisse oben

Der klassische „Scheunenfund“…
braucht offensichtlich hier „etwas Arbeit“
Das Blech sollte doch wohl besser neu rein…
…drunter gammelt’s auch…
Also auch hier die Karies Ausgeschnitten…
… und neu eingesetzt !
und endlich die neue Wand eingepasst.
unten werden weitere „Überraschungen“ vermutet ->
daher in die „stabile Seitenlage“
auch hier sind vermeintlich stabile Partien nach dem entrosten etwas löchrig
..aber auch sonst finden sich einige Löcher
aber irgendwann sind alle Löcher zu und neue Farbe kann kommen !
..und die Mühe hat sich gelohnt !

Und hier der Urspungstext aus dem Ende des letzten Jahrhunderts des Kapitels „Restaurierung“:

Ich kann es nur nochmal betonen. Der R4 war nicht für die Ewigkeit gebaut. Durchgerostete Böden beim ersten TÜV Termin und irreparable Rostschäden nach 8Jahren waren eher die Regel als die Ausnahme.
Das heißt, die Exemplare, die es bis heute geschafft haben, gehören schon zu den “oberen Zehntausend“ die es außerordentlich gut in ihrem Lebenslauf hatten.

Zu erwarten, daß der R4 des Vertrauens jetzt überhaupt keine Arbeiten erfordert, ist demnach leicht vermessen. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, daß wirklich noch kein Rost zu finden ist – so sind zumindestens die Gummiteile nach spätestens 30 Jahren fertig.
Hier sind naturgemäß jüngere Exemplare problemloser – die Modelle ab 1983 lassen sogar einen fast rostfreien Zustand erhoffen. (Spätestens wenn die hinteren Träger noch nicht vom Rost auseinandergedrückt sind.)

Für alle Modelle davor, seien sie auch noch so gut erhalten, sollte man mit realistischem Blick diverse Blecharbeiten einkalkulieren.
Löcher im Boden zu finden gilt als fast sicher. Wenn Diese mittels großflächiger Reparaturbleche kaschiert wurden, müssen die aufgedoppelten Partien wieder zu einlagigen zurückgerüstet werden, bevor in dem Spalt die Rost ganze Arbeit leistet. An den Trägern der Bodengruppe sind mehrlagige Blechpartien aber bereits serienmäßig vorhanden. Hat sich hier der Rost vorgefressen, ist Arbeit angesagt. (Beliebte Stellen: Schwellerende vorn und hinten.)
Obwohl der R4 meist ehrlich seine Schwachpunkte zeigt, halten die hintere Kotflügelkanten und die Dreiecke zwischen vorderem Kotflügel und Tür manchmal nur Kunstwerke aus Prestolith. Die Befestigungskanten aller Kotflügel gammeln lange im Verborgenen, bis man die ersten Blasen zu Gesicht bekommt. Eine Demontage der Kotflügel ist immer dringend anzuraten – erwartungsgemäß erfordert die Kante dann ein paar neue Bleche.
Insgesamt sind diese Blecharbeiten immer noch überschaubar und dank wirklich günstiger Ersatz-Bleche auch bei den Materialkosten ohne größere Probleme – …lediglich, sie machen Arbeit.

Wenn aber auch die vorderen Träger und das Fahrgestell an vielen Stellen faul ist, sollte Sie genau prüfen, ob Sie sich in dieses Abendteuer stürzen wollen. Ist dann auch noch die Mechanik und die Optik erheblich überholungsbedürftig – stellt sich die Sinnfrage deutlich.

Bei Klassikern über 20 Jahre sind die Bremsanlage und die Gummiteile meist nicht mehr einwandfrei und müssen zumindestens teilweise erneuert werden. Die Motoren halten zwar problemlos hunderttausende von Kilometern – gehen aber bei längeren Standzeiten durch Rost im Innern kaputt. Sicherheitshalber sollte daher ein länger abgestellter Motor zerlegt werden.

Ich möchte niemand den Mut zu einer R4-Überholung nehmen. Ich möchte nur Enttäuschungen vermeiden, die durch unrealistisch Vorstellung entstehen können.

Als Illustration habe ich die Fotos der Überholung meines 62er R4L angefügt. Nach nur 17.000km war er doch an einigen Stellen „durch“- Trotzdem würde ich seinen Ausgangszustand als außergewöhnlich gut bezeichnen.

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